Nicht
nur David und Jonathan
oder "Was passierte in den Schlafzimmern der Vorzeit?"
Joséf in einem gefährlichen Dreieck(sverhältnis)
Genesis 36, 39, 41
Von frühester
Kindheit an gelang es Joseph nicht, sich in die machohafte
Gesellschaft seiner Sippe zu integrieren. In seiner Jugend wird er
uns als exzentrischer Außenseiter beschrieben, der nicht mit seinen
Brüdern zurecht kommt, nicht mit ihnen auf Streifzüge geht und die
Rolle der Petze annimmt, die sofort alles dem Vater verrät.
Der TaNaKh eröffnet uns eine Geschichte über ihn, in der es heißt,
"Joseph, im Alter von 17 Jahren, sah seine Brüder das Kleinvieh
hüten,
und er ist ein junger Mann -
naar, diese sind die Kinder Bilhas und Silpas, der Frauen
seines Vaters." [28]
Dieser Vers ist ganz und gar nicht schlüssig, in erster Linie
wegen dem Einschub
"und er ist ein
junge Mann - naar". Dieser, aus dem Kontext entlehnte
Einschub, bringt die sinngemäße Bedeutung des Satzes durcheinander
und führt zu Unklarheiten. Denn wenn Joseph 17 Jahre alt war, war er
logischerweise ein junger Mann.
Raschi betont, dass Ausdrücke in
der hebräischen Bibel nicht einfach so niedergeschrieben wurden,
jedes Wort hat seine bestimmte Bedeutung und wenn eine Aussage
überflüssig oder banal erscheint, dann ist das meistens ein Zeichen
dafür, dass eine tiefere Bedeutung dahinter steht. Raschi erzählt
über Joseph, "dass er ein Verhalten junger Frauen
nearut an den Tag legte, sein
Haar ordnete, seine Augen schmückte, um schön auszusehen."[29]
Die Raschi-Schrift ist nicht punktiert und so wird nicht aus dem
Text ersichtlich, ob nearut = Jugend oder Jugendlichkeit oder nearot
= junge Frauen gemeint ist. Es geht aus seiner Schrift also nicht
hervor, ob er damit betonen wollte, dass Joseph ein junger Mann war
und sich deshalb in jugendlicher Weise verhielt (diese
Interpretation erklärt aber nicht, wieso Raschi am Anfang seines
Kommentars zaudert und deckt sich auch nicht mit seiner Fortsetzung,
wo die Rede von auffallend sorgfältiger Körperpflege und
Körperschmuck ist, was in dieser Zeit ausschließlich den Frauen
vorbehalten war) oder dass Josephs Verhalten der Verhaltungsweise
einer jungen Frau so ähnlich war, dieser sein Haar ordnete, seine
Augen schmückte, dass er als Kommentator die legitime Notwendigkeit
sah, klarzustellen dass es sich bei ihm immer noch um einen jungen
Mann [28]
handelt.
Kann es sein, dass Raschi hier also
deutliche Hinweise dafür liefert, dass es noch einen weiteren Grund
für den abgrundtiefen Hass seiner Brüder auf Joseph gibt, ein Motiv,
auf das der Redaktor nicht genauer eingehen wollte? Kann es sein,
dass seine Brüder Joseph wegen seines femininen Verhaltens
verschmähten?
Im darauffolgenden Absatz kann man eine Bestätigung für Raschis
Hinweis finden: Josephs Bekleidung und äußere Erscheinung werden
genauer beschrieben, wobei angedeutet wird, wie wenig diese in den
familiären Kontext passen. Der bunte Leibrock, den er trug, zählte
damals zur extravaganten Mode, apart und ansehnlich in der
Erscheinung; an späterer Stelle
[30]
wird sogar erwähnt, dass es sich bei seinem Hemd um ein Kleid für
Prinzessinnen handelt (bei Samuel 13,18 wird von
Tamar am Hofe König Davids
folgendes berichtet: "Und sie trägt einen bunten Leibrock wie ihn
alle jungfräulichen Mädchen am Hofe tragen."
[31]).
Und so beschäftigt sich der 17-jährige Joseph lieber mit seinem
Äußeren und mit dem Verpetzen seiner Brüder als damit, sich
eine passende Frau zu suchen.
Nachdem ihn seine Brüder in einem Zustand des Wutanfalls an die
Ismaeliten
[32]
verkauften, wurde er dem
Potiphar,
dem Kriegsminister des Pharaos in Ägypten weiter verkauft. Joseph
wird in dieser Zeit als ein wunderschöner Jüngling beschrieben, der
es vermochte, mit seinem Aussehen viele Menschen auf sich aufmerksam
zu machen. Die Ehefrau des
Potiphar
versuchte ihn so gut wie jeden Tag zu verführen, doch er schenkte
ihr so gut wie keine Aufmerksamkeit. Der
Midrasch erzählt, dass sie ihre
Freundinnen zum Essen einlud, und während sie Paradiesäpfel
aufschnitten, stellte sie ihnen Joseph vor; es wird überliefert,
dass die Frauen so sehr von seiner Schönheit hypnotisiert
gewesen seien, dass sie sich in die Finger geschnitten hätten. Doch
Joseph zeigte sich auch von dieser Szene nicht im geringsten
berührt. In der Überlieferung wird er in dieser Geschichte als
Heiliger dargestellt, der sich allen Verlockungen widersetzen kann
und wegen seiner Redlichkeit sich keiner verheirateten Frau nähert.
Gleichwohl bleibt ungeklärt, ob im Kontext der Geschichte nur die
Frau
Potiphars als verheiratete
Frau galt? Denn wenn die anderen Frauen nicht verheiratet gewesen
sind, welchen Grund hätte dann Joseph, sich von ihnen zu
distanzieren? Es ei denn….
Eines Tages will die Frau
Potiphars
seiner Ignoranz ihr gegenüber ein Ende setzen, und als er sich ihr
in seiner ihm typischen Art verweigert, reißt sie ihm das Hemd vom
Leib. Daraufhin gerät er in Panik vielleicht auch "Hysterie" und
flüchtet in den Hof [33].
Bei
Potiphars Rückkehr erfindet
seine Frau eine Geschichte, dass Joseph versucht habe, sie zu
verführen, woraufhin Joseph ins Gefängnis gesteckt wird.
In diesem Falle deckt Raschis Kommentar einmal mehr die verborgenen
Geschehnisse auf, die im TaNaKh verloren gegangen sind. So legt er
dar, dass zuvor genanntes Vorkommnis nicht oder nicht der einzige
Grund für seine Gefangennahme gewesen ist. Einige Kapitel später in
Genesis 41 [34]
wird
Potiphar als Potiphar, der
Böse [35]
betitelt. Raschi begründet die Tatsache seiner Namensänderung und
den Anhang einer negativen Konnotation damit, dass auch er versucht
habe, Joseph zu verführen. Ging Potiphar etwa von der Annahme aus,
dass wenn Joseph sich nicht von seiner Frau angezogen fühlte, er
vielleicht ihn begehren könnte?
Joseph selbst wurde im Gegensatz zu seinem Vater und seinen
Brüdern nicht mit einer ansehnlichen Zahl von Nachkommen gesegnet,
wie es damals üblich gewesen ist. Nach der Geburt seines zweiten
Sohnes beendete er seine Vermehrungstätigkeit. Außerdem ist es
auffällig, dass er als Stellvertreter des ägyptischen Königs mit nur
einer Frau vermählt war und das in einem bemerkenswert
fortgeschrittenen Lebensalter.
Zwar geht kein einziger der
Kommentatoren auf seine sexuellen Neigungen ein, doch der Ablauf der
Geschichte und der Verlauf der Ereignisse zeugt durchaus von einer
alternativen geschlechtlichen Einstellung, was durchaus einige
bedenkenswerte Ergebnisse aufwirft.
Wie dem auch sei. Etwas Humor ist auch beim Studium der alten
Quellen und Kommentare nicht nur möglich sondern auch nötig. |
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glbt-ta / haGalil
onLine 07-12-2003 |